Dirk Baack
10.12.1996
Mitten in der Nacht - um die dritte Stunde nach Mitternacht -
läutete in den Räumen der Reisegesellschaft im geschichtenumwobenen
Cataract-Hotel3
in Assuan das Telefon. Das Wecksignal für 45 Reisende,
die an diesem Tag eine gemütliche Halbtagesfahrt fast 300 Kilometer durch
die Libysche Wüste in einem vollklimatisierten Bus zurücklegen wollten.
Nun wäre für ein ausgiebiges Frühstück die Bezeichnung zwar ungemein treffend
gewesen, dennoch aß man noch nichts, sondern vertraute auf die gut gefüllten
Lunch- nein Breakfast-Pakete, die vom Hotel bereitgestellt worden waren.
Aus den für eine Ägyptenreise typischen Gründen konnten leider zwei
Personen
- Frau Reyelt und Frau Breves -
an dieser Tour nicht teilnehmen. Aber der Ersatz stand - wenn auch
vermutlich unfreiwillig - schon parat. Zwei Eidgenossen aus der Waadt waren
wohl eher versehentlich in unseren Bus eingestiegen. Näheres konnte
leider nicht geklärt werden, da die beiden Gäste wohl einerseits frankophon
und andererseits miteinander beschäftigt waren. Doch auch ihr Ziel war
Abu Simbel.
Nachdem also jeder sein Päckchen in Händen hielt, begann dann Punkt 4.08 Uhr
die Busfahrt am Hotel, also nur acht Minuten nach dem geplanten Starttermin.
Das erste Ziel unseres soliden Mercedes-Reisebusses
war ein Treffpunkt am Rande
Assuans, an dem sich fast zwanzig Busse versammelten. Seit eineinhalb
Jahren war es üblich, die Tour von Assuan nach Abu Simbel nur im Konvoi und
mit Geleit durch Touristenpolizei oder Militär durchzuführen. So geschah es
auch an diesem Tag. Der Konvoi setzte sich dann kurz nach halb fünf in
Bewegung. Vor uns lagen 277 Kilometer Wüstenstraße zwischen Assuan und
Abu Simbel. Entsprechend der Tageszeit ging es zunächst noch über eine
Stunde durch die nächtliche Wüste, zunächst über den Nasser-Staudamm, um das
linke Nilufer zu erreichen, dann sogleich mit Reisegeschwindigkeit 110
in die Wüste Kurs Südwest.
Nebenbei bemerkt: Den Konvoi empfiehlt sogar der Baedecker, er empfiehlt
sogar, wichtige Ersatzteile mitzuführen, zählt diese aber leider nicht auf.
Da
ohnehin wenig zu sehen war, herrschte eine klassische Stille-Nacht-Stimmung:
,,alles schläft, einsam wacht``, letzteres traf in erster Linie auf den
Fahrer zu.
Gegen 5.45 Uhr war es dann soweit, Herr Re bestieg die Sonnenbarke und
unzählige Male klackten die Verschlüsse der Fotoapparate, um den Sonnenaufgang
in der Wüste auf die Platte zu bannen. Dazu hielt der Bus an, und wir
versammelten uns zur Morgenandacht am östlichen Straßenrand. Während die
Sonne zunächst rot aufging, erklang ,,Die güld'ne Sonne voll Freud und
Wonne``. Während dieser Pause verließen uns dann die Schweizer Gäste,
die offensichtlich Bekannte in einem vorbeifahrenden Kleinbus entdeckt hatten,
oder sich von ihnen entdecken lassen haben.
Weiter ging es durch die Wüste. Mangels anderen Gesprächsstoffes
konnte Ashraf über die Wüste, Beduinen und Kamele berichten.
Wüsten bedecken im Lande Ägyten etwa 96% der Staatsfläche. Grob unterteilen
lassen sich die Wüstengebiete einerseits in die Östliche Wüste, östlich des
Nils, die auch als Arabische Wüste bezeichnet wird. Dagegen waren wir in der
westlichen oder Libyschen4 Wüste unterwegs.
Während in der östlichen Wüste besonders im südlichen Teil Sandstein vorliegt,
fanden wir in der westlichen Kalkstein oder Ton vor. Die hellen Flächen
sind dabei Sandstein, während die zunächst von den Reisenden als ,,Stein``
bezeichneten dunkleren Gebilde Tonklumpen darstellen.
Unter anderem in den Wüstengebieten leben die teilweise
noch nomadisierenden Beduinen.
Ihre Gesamtzahl schätzt man auf eine halbe Million, wovon etwa die Hälfte
nicht seßhaft ist. Gerade bei diesen haben sich alte Bräuche erhalten, bei
denen besonders eine etwas absonderliche Form der Partnersuche erwähnenswert
ist. Da es bei Nomaden nur selten zu Begegnungen verschiedener Gruppen kommt,
werden Heiratsmärkte abgehalten, die Personen verschiedener sonst einzeln
umherziehender Beduinensippen zusammenbringen: Die zur Heirat anstehenden
Mitglieder sammeln sich, und Männlein sucht Weiblein, klappt es bei einem
Heiratsmarkt nicht, wird es eben beim nächsten noch einmal probiert.
Nun zurück zu unserer Reise: Unterwegs gab
es dann tatsächlich noch eine Möglichkeit, sich zu verfahren. 55 Kilometer
vor Abu Simbel führte die Straße geradeaus weiter in den Sudan, während wir
nach rechts abbiegen mußten. Nahe dieser Abzweigung überquerten wir mitten
in der Wüste eine Brücke über einen trockenen Kanal. Dieser dient als
Überlauf für den Nassersee. Ashraf sagte, man rechne aufgrund der starken
Regenfälle im Einzugsgebiet des Nils damit, daß dieser Kanal in diesem Jahr
erstmalig Wasser führen solle. Wie inzwischen aus der Zeitung zu erfahren war,
ist dieser Fall tatsächlich eingetreten. Sogar der Spiegel des Nilunterlaufes
stieg so weit an, daß eine Ausgrabungsstätte mittlerweile überschwemmt wurde.
Letzteres bezeichnete man dort interessanterweise als ,,Fluch des Pharaos``.
40 Kilometer vor Abu Simbel kam es zu einem kleinen Problem. Es ist bekannt,
daß manche Busse Toiletten haben, die die Luft in ihnen durch Aktivkohlefilter
reinigen und wieder geruchsfrei in das Fahrzeuginnere leiten. So sollte es eigentlich
auch in unserem Mercedes sein5. Nun hatte eine Person unserer Gruppe (aufgrund
von Medikamenten) plötzlich ein dringendes Bedürfnis.
Der Busfahrer öffnete ein Räumchen, über das man eigentlich kaum spricht, mit
Hilfe schweren Bordwerkzeugs; das Schloß schien nicht mehr ganz so zu
funktionieren, wie man es eigentlich von einem Mercedes gewohnt ist,
so daß der Leidgeplagte endlich den Heiligen Stuhl erreichen und benutzen
konnte.
Zitat zu dem winzigen
Bord-WC: ,,...aber es geht prima da.`` Noch recht mitleidig hieß es über den
geplagten WC-Benutzer: ,,Ihm ist sicherlich ein Stein vom Herzen gefallen``,
da seine Verdauungsprobleme schon länger angedauert hatten. Nur leider folgte
auf die erste Bemerkung: ,,Aber die riechen nicht so!`` denn wie schon angedeutet
gelangten die Düfte aus dem Gabinetto ungefiltert ins Businnere. Um das
ein wenig einzuschränken wurde dankenswerterweise von Frau Rademacher die Tür
am Aufspringen gehindert, weshalb sie prompt den Ehrentitel ,,Frau
Kurienkardinal zum Heiligen Stuhl`` erhielt.
Etwas später sah man rechter Hand noch eine Verladeaktion von Kamelen, bei denen
zwar Beduinen als Besitzer, aber
vermutlich keine Tierschützer anwesend waren: Kamele haben die unglückliche
Eigenschaft, manchmal recht störrisch zu sein, vor allem dann, wenn sie
gerade auf einen Lastwagen verladen werden sollen. Um sie nun daran zu hindern,
einfach wieder vom Lastwagen herunterzulaufen, besinnt man sich eines
historischen Ereignisses von 1894, der Dreifuß6-Affäre. Man bindet den Kamelen einfach je ein Bein hoch, so daß
sie kaum noch laufen können, vor allem nicht mehr auf und davon. Dies wird
allerdings schon vor dem Verfrachten auf den Lastwagen vorgenommen, so daß
das Verladen dem Schieben eines Klaviers auf einen Lastwagen gleicht.
Das funktioniert allerdings nur mit roher Gewalt, die auf die armen Kamele
angewendet wird. Kurze Zeit später sah man das Zeil dieses eigenartigen
Transportes, einen Kamelmarkt, zu dem viele Tiere auf Lastwagen gebracht
worden waren. Auch hier wurden die Kamele noch daran gehindert wegzulaufen,
sie standen immer noch dreibeinig.
Beim Fotostopp für uns Reisende, ergriff der Busfahrer gleich die
Möglichkeit zur Müllentsorgung á la Egyptienne: Er kippte den Papierkorbinhalt
einfach in die Wüste, denn dank des reichhaltigen Freßpaketes aus dem Cataract
hatten die Mülleimer sich schon sehr gefüllt.
Dann erreichten wir endlich mitten in der Wüste, 280 Straßenkilometer von
Assuan entfernt, die Ortschaft Abu Simbel. Zunächst ging es durch
eine Straßensperre an
einem Militärposten vorbei7,
kurz darauf kamen der Flugplatz und das einzige brauchbare Hotel in Abu Simbel,
welches dann gleich ein vier-Sterne-Haus ist. Der Baedecker hält kein anderes
Haus für erwähnens- oder gar empfehlenswert. Auch die Tempelanlage war nicht
mehr fern. Zunächst kam ein großer Busparkplatz mit den unvermeidlichen Andenken-
und Getränkeständen am Rand. Von dort war die Anlage selbst nur von hinten
zu sehen. Man stand also hinter zwei großen Bergen mit einigen modernen Türen.
Auf diesem Berg liefen - was allerdings streng verboten ist - dennoch einige
Leute herum. Dabei schrieb doch schon Agatha Christie8
Plötzlich ein Schrei - Leute stürmten auf ihn rufend und wild
gestikulierend zu ...
Simon erstarrte für einen Augenblick, dann sprang er auf seine Beine und zog
Linnet mit sich. Nicht eine Sekunde zu früh: Ein großer Felsblock, der den
Abhang hinabstürzte, schlug direkt hinter ihnen ein. Wäre Linnet dort gebleiben,
wo sie vorher stand, so hätte der Stein sie zermalmt.
Kreidebleich klammerten sie sich aneinander. Hercule Poirot und Tim Allerton
liefen auf sie zu. ,,Ma foi, Madame, das war knapp.`` Alle vier schauten
instinktiv nach oben. Nichts war zu sehen, nur ein schmaler Trampelpfad zum
Gipfel hin. Poirot erinnerte sich daran, daß einige Eingeborene dort wanderten,
als sie an Land gegangen waren. Er sah das Paar an, Linnet sah immer noch
benommen aus, verwirrt. Dagegen war Simon recht wütend:
,,Verdammtes Biest, diese Jackie``, schrie er. Mit einem kurzen Blick zu
Tim Allerton überprüfte er sich selbst. Der sagte: ,,Puh, das war eng! Hat
irgendein Trottel das Dinge heruntergestoßen oder ist es von selbst gefallen¿`
Linnet war immer noch recht blaß, mit Schwierigkeiten sprach sie: ,,Ich glaube,
irgendein Idiot muß es getan haben.`` Es hätte Dich wie eine Eierschale zerquetschen
können. Bist Du sicher, daß Du keinen Feind hast, Linnet¿`
Ein derartiges Drama blieb uns allerdings erspart, scheinbar sind die Steine
am Berg inzwischen doch besser befestigt. So wanderten wir dann - vorbei an
einigen Toilettenhäuschen - auf die dem Nasser-See zugewandte Seite des Tempels.
Erbaut oder - genauer gesagt - aus dem Fels herausgeschlagen
wurde er im 13. vorchristlichen Jahrhundert unter dem Pharao Ramses II.
Damit er bei diesem Bau als Bauherr nicht vergessen wurde, ließ er sich
selbst gleich vierfach vor den Tempel meißeln. Seine vier Kolossalstatuen
stellen die Tempelfassade da. Viel gerätselt wurde und wird immer noch,
warum er in dieser abgelegenen Gegend einen Tempel errichten ließ.
Zunächst einmal war damals die Gegend bedeutsam für Ägypten. Das Land hier
hieß Nub, heute Nubien, was ,,Goldland`` bedeutet und darauf hinweist, daß
hier die Goldminen Ägyptens zu finden waren.
Außerdem wurde hier auch Kupfer gefördert. Zudem sollte dieses gigantische
Bauwerk wohl auch die Macht des Pharao, selbst in diesem entlegenen Landesteil,
dokumentieren. Schließlich vollzog Ramses II. mit diesem Tempelbau auch
endgültig den Schritt zur Vergöttlichung seiner selbst, in dem er mit dem
Felsentempel die vollkommene Gottgleichheit des Pharao darstellte.
Nun zum großen Tempel an sich: Man sieht an der Fassade zunächst einmal
viermal eine 20 Meter hohe Kolossalfigur Ramses II.,
jeweils mit der Doppelkrone beider Ägypten.
Eine der Figuren wurde im Jahr 67 v. Chr.
bei einem Erdbeben beschädigt, bei dem der Kopf herunterfiel. Bei der Figur rechts neben
dem Eingang ist schon antiker Pfusch am Bau zu erkennen: Ein Arm des sitzenden
Pharao hatte gewisse Stabilitätsprobleme, so daß er mit einer Bruchsteinmauer
gestützt werden mußte.
Zwischen den Kolossen sind Figuren aus der Familie Ramses II. zu sehen, einige
seiner insgesamt 100 Söhne und 110 Töchter, sowie seine Mutter und seine
Frau Nefertari9, der er auch den zweiten Tempel von Abu Simbel baute.
Hinter den vier Kolossen auf ihren Thronen befindet sich die trapezförmige
Tempelfassade, gekrönt von 22 Pavianen, die die Provinzen Oberägyptens
symbolisieren.
Zentral über dem Eingang ist der Gott Re-Harachte, dem der Tempel eigentlich
geweiht war, zu sehen (Menschengestalt mit Sperberkopf und Sonnenscheibe),
links und rechts neben diesem sieht man
Herrn Ramses, beim Dienst für den Gott.
Doch dieser große Tempel von Abu Simbel besteht nicht nur aus
dieser gen Ostsüdost gerichteten Fassade. Auch hier kann man
die typischen Merkmale eines ägyptischen Tempel entdecken. Die Fassade
entspricht dabei dem ersten Pylon eines ,,normalen`` Tempels.
Formell müßte sich jetzt ein offener Hof mit Säulen an den Seiten folgen.
Da dies für einen Höhlentempel mit gewissen Schwierigkeiten verbunden
ist, hat man eine Halle, gestützt von acht Pfeilern (keine Säulen, denn
die wären runder) als ersten Tempelraum gebaut. Vor den Pfeilern
stehen jeweils Osirisstandbilder mit dem Gesicht Ramses', links, also
nach Süden hin, mit der
oberägyptischen Krone, rechts mit der Doppelkrone. Die Wände
in diesem Saal sind mit militärischen Ereignissen aus dem Leben des Ramses
beschriftet. Besonderen Raum erhält dabei sein Krieg gegen die Hethiter,
der insgesamt 17 Jahre dauerte und mit einem Sieg der Ägypter endete.
Besiegelt wurde der Friede dann mit einer Hochzeit. Ramses selbst findet
sich auf den Reliefs immer wieder: Ramses beim Anstürmen gegen eine Stadt,
vom Streitwagen aus, beim Schießen mit einem Bogen, beim Enthaupten von
Feinden ... Typisch ist auch die Darstellung der Feinde
bei der Schlacht von Kadesch: Sie sind als
ungeordneter Haufen von Leuten abgebildet, während die ägyptischen Streitkräfte
stets in wohlgeordneter
Form dargestellt und dann natürlich auch siegreich sind.
Auch einige Details werden näher behandelt: Zwei Spione beispielsweise,
die Ramses falsch informiert
hatten, erhalten von den Ägyptern ihre Strafe.
Noch etwas Allgemeines zum Tempel: Draußen war es - obwohl es erst acht oder
neun Uhr früh war - schon außerordentlich warm. Sobald man dann jedoch noch
in den Tempel hineinging, kam noch eine drückende Schwüle hinzu, die selbst unserem
Ashraf die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Bedingt durch die Buskolonne
kamen natürlich alle Touristen ungefähr zur gleichen Zeit an, so daß sich auch nahezu
alle gleichzeitig in die Tempel hineinbegaben. Damit
kam zu der Schwüle noch das Gedränge hinzu.
Trotz dieser ungünstigen Bedingungen sind im Inneren des Tempels auch noch
Reste von farbigen Bemalungen vorhanden, wenn es auch schwierig war, diese
auf die Platte zu bannen, da von den viel zu vielen Touristen immer wieder
einige durchs Bild liefen. Regelungen wie im kürzlich für Besucher
eröffneten Grab der Königin Nefertari, das nur 150 Menschen täglich
betreten dürfen, gibt es hier nicht. Dennoch erschien mir das Klima
ähnlich unvorteilhaft für die Ausstattung wie in einigen Gräbern
im Tal der Könige.
Die sich an die erste Halle anschließende zweite Halle entspricht dem Tempelhaus
in einem normalen Tempel. In dieser wird vornehmlich die Beziehung Ramses'
zu den Göttern dargestellt. So wird er an den vier tragenden Pfeilern
jeweils bei Opferhandlungen dargestellt, aber auch seine Gottgleichheit dokumentiert.
Wie Amun-Re (als Widder) wird er an einer Seitenwand auf einer Barke inmitten
einer Prozession dargestellt.
Durch eine weitere Querhalle hindurch erreicht man das Allerheiligste des
Tempels. Im Gegensatz zu anderen Tempeln, die einer Gottheit (ausnahmsweise
zwei in Kom Ombo) geweiht sind, findet man hier vier Götterstandbilder:
Ptah, Amun-Re, Ramses II. selbst und schließlich Re-Harachte10. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche fällt
die Sonne beim Aufgang in das Allerheiligste und beleuchtet dort einzeln
die Figuren (außer Ptah, den Gott der Dunkelheit).
Zur Tempelanlage von Abu Simbel gehört noch der der Liebesgöttin
Hathor geweihte Tempel, der auch der Verehrung der Lieblingsfrau Nefertari
des Ramses diente. So steht dann an der Fassade nur viermal ein Standbild
des Ramses, während seine Gemahlin zweimal erscheint, beachtenswerterweise
sogar als Frau in gleicher Größe wie Ramses selbst. Diese Standbilder werden jeweils
durch hieroglyphenübersäte Pfeiler getrennt.
Dabei enthält der mittlere etwas breitere Pfeiler den Eingang zum Tempelinneren.
Im Gegensatz zum anderen Tempel tritt hier vornehmlich die Göttin Hathor in
Kuhgestalt auf. Auch Nefertari ist mehrfach dargestellt, aber auch Ramses
selbst wird wieder vor Göttern gezeigt. Einmal (vor Hathor) werden ihm
als Attribut 10 Kaulquappen beigefügt, die für 1000000 Regierungsjahre stehen
(eine Kaulquappe entspricht 100000). Näheres zum Inneren dieses Tempels entnehme
man einem geeigneten Reiseführer, wie es im schon einmal zitierten Roman
Herr Dr. Bessmer tat, als er innerhalb des Tempels war11:
Dr. Bessmer las in klangvollem Deutsch aus dem Baedecker, hielt dann und wann
ein, um für Cornelia, die ihm gelehrig folgte, zu übersetzen.
Nicht immer stand der Felsentempel an der Stelle, an der er heute steht.
In seiner alten Lage wäre er beim Fluten des Nasser-Sees im Wasser versunken.
Dieses Schicksal ereilte übrigens neben ungefähr 150 nubischen Dörfern auch
elf Tempelanlagen zwischen Assuan und Abu Simbel. Weitere sechs Tempel
gibt es noch in diesem Bereich, die zwar an Land liegen, aber zu Lande noch nicht
auf Straßen erreichbar sind, lediglich Schiffe legen dort an.
Als das Wasser des Sees so weit gestiegen war, daß der kleine Tempel schon
nasse Füße bekam, ging ein Hilferuf aus Ägypten um die Welt.
Daraufhin wurde von der UNESCO eine gigantische Rettungsaktion
gestartet: Zunächst wurden die Tempel durch Spundwände vor den steigenden Wassermassen geschützt.
Es sollten aber von 1964 an noch vier Jahre vergehen, bis die beiden Tempel
gerettet waren. Die Rettung wurde von einem internationalen Konsortium, in
dem u.a. auch die deutsche Hochtief mitwirkte, geplant und ausgeführt. Die
Tempel wurden so geschickt zersägt, daß die Schnitte später kaum auffielen.
So ließen sich beide Tempel zerlegen und wurden 62 Meter höher wieder aufgebaut.
Damit liegt der untere jetzt mit seiner Sohle 188 Meter über NN, und somit fünf Meter
über dem höchstmöglichen Spiegel des Nasser-Sees. Wie erwähnt, waren die
Tempel einfach aus dem Berg herausgemeißelt worden. Um nun nicht den ganzen Berg
zerlegen und umsetzen zu müssen, hat man nur eine dünne Oberflächenschicht
von bis zu 70 Zentimetern Stärke
vom Berg abgetrennt und mittels einer Stützkonstruktion wieder aufgerichtet.
Insgesamt waren dabei 8500 Stücke mit einer Masse zwischen 7 und 33 Tonnen
herausgesägt worden.
Bei der Wiedererrichtung begann man mit dem Allerheiligsten, das im
ursprünglichen Tempel so ausgerichtet war, daß am 20. Februar und am
22. Oktober die Strahlen der aufgehenden Sonne dort hineinfielen.
Nach dem Umsetzen verschoben sich diese Termine um zwei Tage.
Das Tempelinnere beider Tempel steht jeweils frei in einer riesigen Betonkuppel, über
der sich beim großen Tempel 600 Tonnen Schutt12
anhäufen, die den Berg als Hintergrund der Tempelfassade
modellieren. Interessant sind aus heutiger Sicht noch die Kosten: Damals betrugen
sie 36 Millionen US-$, nicht Milliarden, wie von vielen gemutmaßt wurde.
Natürlich findet man auch eine Gedenktafel, die auf die Umsetzung
des Tempels hinweist. Auf dieser wird vornehmlich Herr Nasser erwähnt.
Die Hilfen der UNESCO dagegen sind in einer anderen Schrift am unteren
Rand der Tafel erwähnt. Jeder möge sich seine Gedanken darüber machen.
Lange Zeit waren die Tempel von Sand verschüttet, nur die Köpfe der Statuen
schauten noch hervor. Das war bereits in frühchristlicher Zeit geschehen.
Als die Anlage dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts
freigelegt wurde, begann der Ausgräber, Herr Belzoni, sogleich mit einer
Unsitte, die sich bis heute erhalten hat - wenn auch mit anderen Werkzeugen:
Er hinterließ ein Autogramm, verwendete dazu allerdings
keinen Fettmalstift13
sondern Hammer und Meißel und hinterließ seinen
Namen deutlich sichtbar in einer der Kolossalstatuen, genau wie andere
Reisende des letzten Jahrhunderts auch.
Nachdem noch einige von uns die Stützkonstruktion und die Betonkuppel
darüber von innen betrachtet hatten, ging es zurück zum Bus. Auf dem Parkplatz dort
wurden die Händler jetzt besonders aktiv, sahen sie doch ihre Felle,
sprich die Touristen mit ihren ägyptischen Pfunden davonschwimmen.
Der Protokoller des Tages hielt es hier noch für unbedingt notwendig,
einen Bildband zu erwerben. Ein Händler zeigte auf die Anzahl der
im Buch enthaltenen Bilder (150) und forderte eben diese Summe in ägyptischen
Pfund. Dies war dem Protokollschreiber zu viel, er begann also recht erfolgreich zu
handeln. Nach einigen Minuten waren dann mehr als an sich schon
sensationelle zwei Drittel der ersten Forderung erreicht, so daß der
Handel schließlich für 40 Ägyptische Pfund getätigt wurde.
Die Ernüchterung kam dann im nächsten Hotel. Dort sollte dieser Bildband
nur noch 20 Pfund kosten.
Etwas später startete dann unser Bus als letzter in Richtung Assuan.
Einigen Reisenden fiel ein harmloser Riß in einer Glasplatte der Windschutzscheibe
unseres Busses auf. Da aber zwischen beiden Glasplatten noch eine Kunststoffolie
liegt, erschien es nicht weiter beunruhigend. So nahmen denn Protokoll und
Leitung wieder ihren Platz bei ARD und ZDF14 ein, und die Fahrt in die Wüste begann,
zunächst ohne besondere Vorkommnisse. Gegen 11.15 Uhr meinten dann die
harmlosen Risse in der Frontscheibe, sich etwas bemerkbarer machen zu müssen.
Sie vergrößerten sich, und das, obwohl wir noch 160 Kilometer bis Assuan vor
uns hatten. Abu Simbel selbst lag schon fast eine Stunde hinter uns, es gab
also eigentlich nur noch ein Voran, kein Zurück mehr. Außerdem sah die
Ortschaft Abu Simbel nicht gerade so aus, als hätte man dort eine
Windschutzscheibe für einen Mercedes vorrätig. Also ging es weiter gen Assuan.
Zwanzig Minuten später begannen dann die Risse, die Stabilität der Scheibe
zu beeinträchtigen. Sie erstreckten sich inzwischen über die ganze Höhe der
Scheibe. Da wir immer noch mit Tempo 100 durch die Wüste flogen, begann die
Scheibe, sich in den Innenraum zu wölben. Der Fahrer - ganz Herr der Lage -
stützte sie zunächst mit einigen Schaumstoffblöcken, was tatsächlich einige
Kilometer wirkte. Nun wurden die Risse aber immer zahlreicher und mit
jedem überfahrenen Stein auf der Straße vergrößerten sie sich. Auch fingen
kleine Glassplitter an, auf die erste Sitzreihe im Bus - zunächst noch
besetzt - zu rieseln. Gegen zwölf Uhr, immer noch 152 Kilometer von Assuan
entfernt verließ dann der letzte Reisende die erste Reihe. Nur der Fahrer
ertrug noch die immer heftiger rieselnden Glassplitter, während die Dame und
die Herren aus der ersten Reihe es vorzogen, sich weiter hinten im Bus
aufzuhalten, natürlich in der (trügerischen) Hoffnung, dort sei es auf die
Dauer angenehmer.
Inzwischen hatte die Mittagssonne ihren höchsten Stand erreicht, so daß
Temperaturen von mindestens 45 Celsiusgraden herrschten. So sah man dann über dem
heißen Wüstensand ausgedehnte Luftspiegelungen. So manche Fata Morgana
täuschte uns einen ausgedehnten See vor den Bergen vor. Himmel und Berge
spiegelten sich in eindrucksvoller Weise in ihnen.
Für solche Schönheiten der Landschaft hatte unser Fahrer verständlicherweise
kaum einen Blick übrig. Die Windschutzscheibe bestand inzwischen nur noch aus
mehr oder weniger großen Scherben, die mehr schlecht als recht vom Rahmen
zusammengehalten wurden. Gegen 13 Uhr löste sich dann der Rahmen der Scheibe
langsam vom Blech und sackte nach unten, so daß man über der restlichen
Scheibe schon ohne Hindernis nach draußen blicken konnte. Immer noch betrug
unsere Reisegeschwindigkeit 70 Kilometer in der Stunde, schließlich sollte
unsere Fahrt nicht wie die des ausgebrannten Buswracks am Rande der Straße in der Wüste
enden. Außerdem waren wir der letzte Bus, der an diesem Tag noch von
Abu Simbel in Richtung Assuan zurückfuhr. Lediglich ein Jeep als
Begleitfahrzeug fuhr noch hinter uns.
Zwischendurch fuhr der Busfahrer noch kurz an den rechten Straßenrand,
um einen ,,Luftverbesserer``, der nach seinen Worten völlig harmlos
sei (im Prinzip Kölnisch Wasser in Sprühdosen) im Bus zu verteilen.
Seltsamerweise
waren später kakerlakenähnliche Insekten, die später durch den Bus wanderten,
anderer Meinung und legten sich neben das ausgesprühte Spray.
Um 13.05 Uhr meinte dann die Scheibe rechts hinten am Bus recht klug sein
zu müssen: Sie gab dem hohen Druck im Bus nach und verließ diesen mit
einem ,,Plopp``. Erst auf das Geschrei der Businsassen auf den hinteren
Bänken wurde der Bus angehalten. An Verlusten war - abgesehen von der Scheibe
- ein Tuch zu beklagen, das nun durch die Wüste, 110 Kilometer von Assuan
entfernt, flog. Die Windschutzscheibe mußte jetzt auch vollständig entfernt
werden, sonst wäre sie sicher in Stücken durch den Bus geflogen und hätte
dabei wohl noch Personen verletzt. Die Hoffnung, daß die andere Scheibe den Sturz
überstanden habe, erfüllte sich leider nicht. Der Busfahrer lud noch die
Dichtung der verlorenen Scheibe in den Bus, sie lag 200 Meter vom Standort
des Busses entfernt. Die Reste der Windschutzscheibe nahm er heraus,
zerbrach sie und hinterließ ihre Reste am Straßenrand.
Angesichts der gerade eingetretenen Katastrophe machte das Wort die Runde,
man sollte künftig unter ,,Fritz Brandt - Abenteuerreisen`` firmieren.
Auch die Katastrophentouristen (wie zum Beispiel der Protokoller) ließen
nicht auf sich warten; sie dokumentierten den Schaden am Bus durch einige
Fotos, die wohl von anderen Reisenden selten in dieser Umgebung gemacht
werden. Allerdings ging es jetzt bei der
Reisegesellschaft luxoriöser zu, man fuhr gewissermaßen in einem
Cabrio und ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen, der
durch den Bus hindurch blies. Dennoch kam es zu keinen größeren Verlusten
mehr. Gemeckert hat keiner, kein Wunder bei der Drohung von Herrn Brandt:
,,Wer jetzt meckert, fliegt raus.``
Allerdings waren wohl einige amüsante Fotographien möglich, mußten doch
Hüte, Tücher etc. festgehalten werden und blähten sich im Fahrtwind auf.
Der Busfahrer, der hier wohl besser Brillenträger gewesen wäre, erhielt
noch eine Sonnenbrille mit ungeschliffenen Gläsern. Dank dem edlen Spender!
So ging es weiter, es fehlten immer noch 110 Kilometer bis Assuan. Neben
den immer noch sichtbaren Luftspiegelungen wurden die Schilder mit den
Entfernungsangaben bis Assuan auch immer interessanter. Spätestens hier
hatte man die Gelegenheit, die arabische Schreibweise der arabischen Zahlen
zu lernen, war doch in großer Schrift die Entfernung in der dort üblichen
Schreibweise angegeben und etwas kleiner darunter die hierzulande übliche.
Gegen 14.15 Uhr liefen wir dann endlich in Assuan am Cataract-Hotel ein,
begrüßt von den Daheimgebliebenen und erleichtert über die glückliche
Ankunft.
Der Nachmittag nach der anstrengenden Busfahrt war zunächst ohne Programm
und wurde von vielen
am und im Pool der beiden Hotels verbracht. Gegen 16.30 Uhr folgten dann
noch eine Felukenfahrt über den Nil. Drei Boote waren nötig, um 45 Leute
über den Nil zu befördern, die über schmale ,,Hühnerleitern``an Bord
gegangen waren.
Alle drei Boote trugen zu Beginn der Fahrt noch einen Teppich als Sonnenschutz
über den Köpfen der Passagiere, der erst nach dem ersten Zwischenstopp
eingeholt wurde.
Jedes der Boote hatte zwei ,,Mann`` Besatzung, einer als Kapitän am Ruder
und ein zweiter Junge als Hilfe beim Wenden sowie beim Einholen und Setzen des Segels.
Vom hoteleigenen Bootsanleger segelten die beiden Boote zunächst um die
Insel Elephantine herum. Gegen den Wind mußten wir kreuzen und landeten
schließlich am westlichen Nilufer gegenüber von Elephantine. Die Insel, nach der auch eine Bar des
Old Cataract am Nilufer benannt ist, wurde wohl nach der Form der Felsen
an ihrem Rande benannt, aber es gibt auch die Vermutung, daß sie einst ein
Elefantenhandelsplatz war. Auf ihr stehen noch einige nubische Dörfer,
aus denen auch die Besatzung unserer Boote stammte. Auf der Insel war
noch im 19. Jahrhundert ein Tempel vorhanden, der erst im Jahr 1822
abgebrochen worden
war. Andere Tempelanlagen sind dort nur noch bruchstückhaft vorhanden.
Vom Westufer sah man einerseits das Aga-Khan-Mausoleum und weiter
zurückliegend das St. Simeonskloster im Licht der leider nicht sonderlich
langsam untergehenden Abendsonne. Beide wurden angesichts der
fortgeschrittenen Stunde nicht mehr besichtigt, daher einige kurze Bemerkungen
zu den beiden Bauten.
Aga Khan15 - Oberhaupt
der islamischen Sekte der Ismailiten - ließ
sich hier für sich und seine Frau ein Mausoleum errichten. Er selbst
galt als 48.16 Imam aus Sicht der Ismaeliten. (Viele
Sekten des Islam
unterscheiden sich dadurch, daß sie einen anderen als Imam, also Nachfolger
des Propheten Mohammed, ansehen.) Er selbst lebte im Winter mehrmals in Assuan
und bestimmte - obwohl gebürtiger Perser und seine Richtung des Islam eher
in Indien und Ostafrika ihre Anhänger hat - daß hier sein Mausoleum
gebaut werde. In diesem wurde er zwei Jahre nach seinem Tod beigesetzt, also
im Jahr 1959.
Seine Witwe, die Begum, läßt täglich eine Rose auf seinen
Sarkophag legen, der im Mausoleum, das im fatimidischen Stil einer Moschee
gebaut wurde, steht.
Viel älter ist das St. Simeonskloster, eines der besterhaltensten koptischen
Klöster. Gegründet wurde es im sechsten Jahrhundert, also noch
bevor der Islam überhaupt entstanden war. Im 13. Jahrhundert wurde es dann
wegen Wassermangel verlassen. Erhalten sind dort oben neben der großen
Klosterkirche und einer kleineren Kapelle auch Wohn- und Wirtschaftsgebäude,
die zu einem Kloster gehören. Leider fehlte uns die Zeit, das Kloster -
wohl etwa 20 Minuten von unserem Anleger entfernt, zu erreichen.
Der Anleger am Westufer,
an dem wir für die Kurzbeschreibung von Mausoleum und Kloster einen
kurzen Zwischenhalt einlegten,
hatte noch vor kurzer Zeit eine kleine Ansammlung
von Händlerbuden für die Besucher zu bieten, diese waren jedoch abgebrannt
und nicht wieder aufgebaut worden. Lediglich einige Kamele und Schafe mit den
zugehörigen Besitzern waren da.
Weiter bot dieser Platz nicht viel, es
ging also weiter in Richtung der Kitchener-Insel. Da inzwischen
schon der
Sonnenuntergang immer weiter fortschritt, waren schon die Sonnendächer von
den Feluken entfernt worden.
Irgendwie schien sich die Ablegen einer
Gruppe aus almania herumgesprochen haben. Einige Nußschalen, besetzt mit
nubischen Jungen, die auf Kugelschreiberjagd waren, näherten sich den
Feluken. Die Nußschalen waren kleine Blechwannen, gerudert wurde mit den
Händen oder mit kleinen frühstücksbrettgroßen Holzplatten. Für
das Kugelschreibersammeln waren diese Boote gut geeignet, boten sie doch
genügend Ablageraum für die eingesammelten Stifte. Nur eine Panne gab es
zwischendurch: Eines der Boote lag schon bei der Ankunft
an unseren Feluken bedenklich tief im Wasser und sank dann kurze Zeit später mit
Mann, Maus und - viel schlimmer - den eingesammelten Kugelschreibern.
Während die Kinder ansonsten nur für sich selbst arbeiteten, mußte jetzt
erst einmal das Boot gerettet werden. Gemeinsam wurde es geborgen, um auch für
weitere Fischzüge zur Verfügung zu stehen. Einige unserer Kugelschreiber sind
aber wohl auf dem Nilgrund geblieben.
Die Überfahrt zur Kitchener-Insel wurde danach zu einer
kleinen Wettfahrt der Feluken.
Endlich dort gelandet, wurden wir sogleich von Händlern mit Getränken und
Schmuckstücken empfangen. Einige verkauften angeblich aus Korallen
geschnitzte Kämme, deren Echtheit uns dadurch bewiesen werden sollte, daß
man sie in die Flamme eines Feuerzeugs hielt. Leider kannte niemand die
Eigenschaften echter Korallenschnitzereien, so daß diese Probe für alle
nicht sonderlich aufschlußreich war. Die Insel selbst war ursprünglich
Besitz des Lord Kitchener. Dieser hatte die Herrschaft des Mahdi
17
im Sudan gebrochen. Auch sicherte er den britischen Einfluß in Ägypten gegen
französische Versuche der Einflußnahme. Auf dieser
Insel ließ er sich einen botanischen Garten mit Pflanzen, die aus ganz Afrika
und Asien zusammengetragen worden waren, anlegen. So vereinte er
die Vegetation britischer Besitzungen hier am Nil. Leider wurde es auch an
diesem Abend wie üblich sehr schnell dunkel, so daß die Pracht der Blumen
und der hohen Bäume nur noch zu erahnen war. Aber auch einheimische Pflanzen
waren hier zu sehen, so der Sykomoren-Baum, aus dessen Holz die Keile zum Absprengen
von Steinen aus dem Fels geschnitten wurden. Wenn man noch einmal
auf diese Insel kommen sollte, müßte der Zeitpunkt wohl so gewählt werden,
daß man sie noch vollständig im Sonnenlicht sehen kann.
Als es zurück zum Hotel gehen sollte, war dann die Dunkelheit schon vollends
hereingebrochen. So segelten wir dann diesmal mit Rückenwind in Richtung
unseres Hotels. Doch unsere Schiffer hatten noch eine Überraschung für
uns parat. In der Nähe der Elefanteninsel vertäuten sie die drei Boote
und brachten uns in ihren Galabeen eine folkloristische nubische
Darbietung. Ausgerüstet mit Handtrommeln brachten sie uns eine
enorm rhythmische Tanz- und Gesangsvorführung dar. Während das Imitieren
des Tanzens und Klatschens der Nubier noch recht einfach war und auch
von einigen durchgeführt wurde, war es beim Gesang schon schwieriger.
Etwas, was sich in einer Art Refrain wie ,,U Aleele`` anhörte, wurde zwar
nicht unbedingt verstanden, man konnte aber noch einstimmen, wie besonders
unser Chef. Als dieser ähnliche Klänge vor Luxor noch einmal anstimmte,
kam aber nicht die erwartete Reaktion anderer Schiffer. Möglicherweise
war es eben doch nur ein lokales Volkslied der Nubier hier.
Nach dieser Vorführung - auf dem selbstverständlich unbeleuchteten Bootsverband
im Nil - folgte die Rückfahrt zum östlichen Nilufer. Beim Aussteigen
traf noch ein Teil des Holzgestells den Kopf unseres Guides und hinterließ
dort eine Beule.
Wie am Vortag schloß sich das Dinner im Restaurant, das wie ein
arabisches Haus dekoriert war, an. Auch der Koch, der deutlich
Werbung für seinen Berufsstand machte, war natürlich wieder dabei.
Für den Abend schrieb dann wieder Dame Agatha Mary Clarissa Christie
das Drehbuch18:
Das ist Fritz Brandt, der Detektiv, sagte Frau Papenthin.
Sie und ihre Tochter saßen in den hell gestrichenen, scharlachroten
Korbsesseln vor dem Cataract-Hotel in Assuan. Sie beobachteten die
sich zurückziehenden Gestalten der beiden Leute - ein kleiner Mann,
der einen weißen Seidenanzug trug, und ...
Ooh, das scheint das falsche Kapitel gewesen zu sein, jedenfalls paßt
es hier nicht so recht. (Im Original waren es Hercule Poirot
und Mrs Allerton samt ihrem Sohn.)
Nehmen wir uns also das nächste - nämlich
das dritte - Kapitel vor:
Das Abendessen war vorüber. Die Terrasse vor dem Eingang des
Cataract-Hotels war schummerig beleuchtet. Die meisten Gäste, die im
Hotel logierten, saßen dort.
Aus Gründen der Diskretion führe ich die folgende Unterhaltung nicht
auf, wer sie dennoch erfahren möchte ,,Der Tod auf dem
Nil``, Scherz-Verlag, ISBN 3-502-79021-3.