Die St. Bartholomäuskirche zu Lamstedt |
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Betrachtet man die ehrwürdige Lamstedter St.-Bartholomäuskirche von außen,
so fällt einem zunächst der sicherlich etwas eigenwillige Kirchturm, der
in dieser Gegend seinesgleichen sucht, auf. Das Kirchenschiff dagegen sieht
zunächst mit seinem Felssteinmauerwerk in dieser Gegend auf einer Geestinsel
besonders ungewöhnlich aus.
Wenden wir uns wieder dem Kirchturm zu: Eigenartigerweise findet man auf der
Westseite zwei Jahreszahlen, die als Maueranker ausgeführt sind. Das hat
einen ganz einfachen Grund: 1769 wurden Teile des jetzigen Kirchturms - wohl
ähnlich der heutigen Form - errichtet, nachdem viele Jahre zuvor der alte
hölzerne Kirchturm abgebrochen werden mußte. Doch leider brannte dieser Turm
während einer der großen Feuersbrünste, von denen Lamstedt heimgesucht wurde,
im Jahre 1812 aus, und wurde erst 1820 wiederhergestellt. In dieser Zeit erhielt
er auch
die eigenwillige Kuppel, die von einer Laterne und einer Windfahne gekrönt
wird. Nach einem leider mißlungenen Renovierungsversuch in den 1960er Jahren
ist er im Jahr 1985 mit erheblichen finanziellen Aufwand saniert worden, so
ist das etwa einen Meter starke Ziegelmauerwerk im unteren Bereich des Turmes
vollständig ausgetauscht worden. Das eindrucksvolle - aus
fünf Glocken bestehende Geläut im Turm - sucht in dieser
Gegend seinesgleichen.
Betreten wir die Kirche durch den Eingang im Kirchturm, so passieren wir zunächst noch
zwei alte Grabstelen aus dem 18. Jahrhundert -
letzte sichtbare Überreste des alten Friedhofs an der Kirche.
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Betreten wir also auf unserer virtuellen Tour jetzt die Lamstedter Kirche
durch den Eingang im Kirchturm. Hier gilt es zunächst einmal kurz
innezuhalten. Passend zum klassizistischen Turmabschluß findet man hier
in der Turmhalle nämlich einen klassizistischen Kronleuchter. Dieser wurde
der Kirchengemeinde von der politischen Gemeinde Lamstedt geschenkt, die
ihn ihrerseits aus der Erbmasse der ehemaligen Rolandschen Apotheke
erworben hat. Nach seiner Restaurierung durch die Kirchengemeinde hing er
einige Jahre im Kircheninneren, wo er allerdings nach der umfassenden
Innenrenovierung 1996 nicht mehr recht mit der neugefaßten Beleuchtung und
der übrigen - größtenteils barockisierenden - Inneneinrichtung harmonieren
wollte.
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Weiter geht es geradewegs ins Kirchenschiff. Tritt man unter der Orgelempore
hervor, sieht man die - wohl im 18. Jahrhundert in ähnlicher Form erstellte
Segmentbogentonne mit ihren fünf kräftigen Zugbalken, die verhindern, daß
die Außenmauern des Kirchenschiffes zu weit nach außen neigen. (Vorher - so
mutmaßt man - war das Kirchenschiff an in Höhe der Zugbalkenlage mit einer
Bretterdecke abgeschlossen gewesen.) Rechter Hand
findet man zunächst einen Schrank von Eichenholz,
wahrscheinlich das älteste Möbelstück in der ganzen Gegend. Der zweitürige
Schrank mit seinen Eisenbeschlägen läßt sich (ohne dendochronologische
Maßnahmen) kaum noch datieren. Verhältnismäßig sicher ist jedoch, daß es sich
bei diesem Schrank um das "Schapp" handelt, das in der Reformationsurkunde
von 1567 erwähnt wurde. Vergleiche mit Zeichnungen anderer Schränke in der
Vorlesung von Frau Prof. Jarchow
(TU Hamburg-Harburg) ergaben, daß dieser Schrank durchaus mit
gotischen Schränken vergleichbar ist, wie sie beispielsweise im 14. oder
15. Jahrhundert angefertigt wurden.
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Hat man sich schon halb zur Seite gedreht, kann man sich auch sogleich die
Orgelemporenbrüstung ansehen. Hier findet man zunächst Darstellungen
altatestamentarischer Gestalten,
![]() dann direkt vor der Orgel Ölgemälde aus dem Leben Jesu mit Himmelfahrt, Auferstehung, Kreuzigung (man beachte die Würfel), Gethsemane und Taufe. Dieser Teil der Brüstung befand sich bereits vor der alten Arp-Schnitger-Orgel die bis 1906 in unserer Kirche vorhanden war und sich ursprünglich an der Nordseite oberhalb der nordöstlichen Tür befand. (Dort hängst heute ein Kruzifix aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dessen Korpus unbedingt einiger Spendenmittel zur Neufassung bedarf.) Über die Geschichte der Orgel findet man an anderer Stelle etwas. Übergangslos geht die Orgelempore in die Nordempore über, an deren Brüstung sich Votivtafeln u.a. mit Aposteldarstellungen aus dem Jahr 1694 befinden, so sagen zumindest die Tafeln mit der Nennung der Spender und die zugehörigen Listen im Pfarrarchiv aus. ![]() ![]()
Etwas später, nämlich 1747, entstand der Altaraufbau, dem wir uns auf dem
Weg in den östlichen Teil der Kirche langsam nähern. In der heutigen Form
auf drei umlaufenden Stufen mit abschließender gemauerter Mensa
findet man ihn erst seit den fünfziger Jahren
vor, aber der Altarretabel ist - abgesehen von mehr oder weniger umsichtigen
farblichen Neufassungen - wohl seit dem 16. Jahrhundert unverändert. Dort
findet man - vom künstlerischen Standpunkt wohl als wertvollste Darstellung
- zunächst direkt über der Mensa zwischen Vaterunser und Einsetzungsworten
eine Abendmahlsdarstellung; dieses Bild
ist möglicherweise älter als der Rest des Altarretabels. Darüber eine
großflächige Kreuzigungsszene, flankiert von geschnitzten Ranken und
Säulen. Oberhalb eines Gesimses findet sich eine
weitere Darstellung der Auferstehung (Öl auf Holz), flankiert von Pfeilern,
abgeschlossen mit zwei Posaunenengeln und einem Christusknaben in der Mitte,
jeweils als Vollplastiken.
![]() Auf der Mensa stehen üblicherweise sechs Kerzen auf paarweise gleichen Kerzenständern. Zwei dieser Kerzenständer sind um 1800 entstanden, zwei weitere in der Mitte des 20. Jahrhunderts von nach Amerika ausgewanderten Gemeindegliedern gestiftet worden.
Rechts des Altars findet sich noch - in der Fassung passend zum Altar -
die Kanzel, die jedoch etwas jünger sein dürfte.
![]() Noch jünger, nämlich aus den 70er Jahren, ist der Taufstein aus Sandstein, der als Ersatz für einen in der Nachkriegszeit abhandengekommenen Taufständer beschafft wurde. Die Taufschale im neuen Taufstein soll durch Umarbeitung des Messingtopfes eines Gemeindegliedes entstanden sein. ![]() Wie kommt es nun, daß gerade in Lamstedt eine doch relativ große Kirche zu finden ist? Immerhin finden hier noch etwa 500 Gäste Platz zum Gottesdienst, und in letzter Zeit sind (durch den Abbruch einer zuvor vorhandenen Südempore) eher Plätze vernichtet worden als daß neuer Raum geschaffen wurde. Lamstedt war eines der sogenannten "Urkirchspiele" zwischen Elb- und Wesermündung, also eine der ersten kirchlichen Organisationseinheiten nach der Christianisierung unserer Gegend. Dementsprechend groß war auch der ursprüngliche Einzugsbereich des Kirchortes Lamstedt. Begrenzt durch ausgedehte Moore im Westen, die Oste im Osten und Norden gehörte zum hiesigen Kirchspiel wohl das Gebiet von Neuhaus/Oste im Norden bis etwa Oerel bei Bremervörde im Süden. Das zeigt sich nicht zuletzt dadurch, daß aus diesen Gegenden noch bis ins 16. Jahrhundert hinein Leute in Lamstedt vom Sendgericht bestraft wurden. Da zur Zeit der Christianisierung die hiesige Gegend deutlich weniger dicht besiedelt war, Moore und Marschen in der Umgebung überhaupt nicht, scheint es doch schlüssig zu sein, daß dieses große Gebiet nach Lamstedt eingepfarrt war. Mit zunehmender Besiedlung kam es dann zu ersten Tochtergründungen von Lamstedt, so 1233 in Geversdorf, weitere folgten mit der Besiedlung der Marschen durch Holländer im 13. Jahrhundert. Nach der Reformation wurde nur noch Basbeck (1570 Kirchenbau, Trennung 1835) und Warstade (1898/1902) vom Lamstedter Kirchspiel gelöst. Gerade letzteres zeigt aber recht genau, warum in Lamstedt kein kleines Geestkirchlein zu finden ist, umfaßt die heutige Kirchengemeinde doch etwa 5000 Seelen, wobei zu berücksichtigen ist, daß das heutige Kirchspiel gemeinsam mit dem zuletzt abgetrennten Warstader (um 1900) noch ein Drittel mehr Seelen umfaßte.
(Quellen: mündliche Überlieferung,
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